Newsletter Dezember 2010

Leben mit dem HIV-Virus

Erfahrungen der Augustina K. / 48
Witwe, von Bushagara, Kamachumu

Im Jahr 1983 hörte ich zum ersten Mal von AIDS. In diesem Jahr starb in unse-rem Dorf ein Mann an einer seltsamen, unbekannten Krankheit. Man nannte sie Slim (schmächtig, dünn). Erst später wur-de der Begriff AIDS bekannt.

Wir wurden selbst davon betroffen, und die Auswirkungen waren schlimm. 1992 starb mein Mann an AIDS, und ich muss mich seither mit unsern sechs Kindern allein durchschlagen. Das älteste war da-mals 12, das jüngste ein Jahr alt. Ich musste für Nahrung sorgen und für Klei-der, die Grösseren zur Schule schicken und für ihre Gesundheit sorgen. Ich arbei-tete hart bei Bauern in der Umgebung, um Nahrungsmittel und etwas Geld für uns zu erwerben.


Szene vor dem Spital

Doch dazu kam ein weiteres schweres Problem: Noch bevor mein Mann starb, liess ich mich testen und erfuhr, dass ich HIV+ war. Das machte mir Angst und brachte grosse Unsicherheit in unser Le-ben. Das bedeutet, ich muss seitdem täg-lich ARV -Medikamente einnehmen und einmal pro Monat in die Klinik gehen. Wir wurden angewiesen, uns gesund und aus-reichend zu ernähren, aber das war oft unmöglich.

Ich gab mir grosse Mühe, um von Ärzten und Gesundheits-Beraterinnen hilfreiche Unterstützung zu bekommen. Heute stehe ich offen zu meinem HIV-Status. Ich mi-sche mich frei unter die Menschen und sondere mich nicht ab. Wenn du dies er-reichst, wirst du auch von den Mitmen-schen nicht mehr stigmatisiert. Du lernst deine Probleme aussprechen und erhältst Unterstützung. Ich achte auch sehr darauf, andere Gesundheitsprobleme, welche auf-treten können, zu behandeln. Zudem ach-te ich auf gesunde Ernährung und sichere mich gegen eine weitere HIV-Infektion ab.

Ich habe alle Informationen und Anregun-gen über den Umgang mit HIV+ AIDS sehr ernst genommen und war sehr streng mit mir. Deshalb kann ich heute mit mei-nen Schwierigkeiten gut umgehen. Das war aber ein langer Prozess.

MUVIMAWAKA, eine women umbrella, hat mich und andere Betroffene dabei sehr unterstützt. Sie haben erreicht, dass wir selbst aktiv wurden und PLWHA -Selbsthilfegruppen gründeten. In der Gruppe können wir uns austauschen und gegenseitig unterstützen und können so wieder Hoffnung und Vertrauen fassen. MUVIMAVAKA hat auch verschiedene Projekte realisiert, z.B. für die Produktion von Nahrungsmitteln und für Nebener-werb. Sie bieten auch wichtige Informati-onsbroschüren und verschiedene Weiter-bildungskurse an.

Die PLWHA-Gruppen waren die Vorkämp-ferinnen, welche hier in Kagera auf die AIDS-Problematik aufmerksam gemacht haben. Sie haben eine wichtige Rolle ge-spielt bei der Enttabuisierung und der Auf-klärung in der Bevölkerung. Sie haben den Aufbau von Präventionsprojekten und von Test- und Behandlungseinrichtungen ge-fordert und gefördert. Unsere Gruppe ar-beitet mit anderen Gruppen zusammen. Wir haben einen gemeinsamen Fonds ge-äufnet und können so jeden neu erkrank-ten Mitmenschen im Spital mit 25’000 Shil-lings (ca. 25Fr.) unterstützen.

Die Dorfbewohner konnten auch einiges von mir / uns lernen. Als mein Mann starb, war man sehr zurückhaltend. Niemand re-dete offen über AIDS. Als ich und ein paar andere es wagten, zu unseren Schwierig-keiten zu stehen und offen darüber zu sprechen, hatten die Leute mehr Ver-ständnis für uns. Viele lernten, wie man eine Ansteckung vermeiden kann und dass man sich nicht ansteckt, wenn man uns in die Nähe kommt und uns berührt. Ich selbst habe jetzt viele Kenntnisse über HIV und AIDS und fürchte mich nicht vor AIDS-Kranken. Im Gegenteil, ich liess mich in Kursen zur Heimpflegerin ausbil-den und gehe in die Häuser und unterstüt-ze und pflege erkrankte Menschen. Ich setze mich auch gegen jede Art der Dis-kriminierung ein. Ja, ich habe mich selbst und mein Verhalten sehr verändert.

Im Ndolage Hospital kann man sich testen und behandeln lassen. Betroffene aus der weiteren Umgebung suchen wenn möglich dieses Spital auf. Dort gibt es Beratung für schwangere HIV positive Frauen und all-gemeine HIV-Prävention. Die Ärzte ent-nehmen auch regelmässig Blutproben und schicken sie nach Bukoba, wo die CD4 Zellen ausgezählt werden. Ein Team un-seres Spitals bietet in drei ausgewählten Dörfern auch Heimpflege an und unter-stützt die Kranken und ihre Familien. Die Teammitglieder besuchen auch die PLWHA-Selbsthilfegruppen.


Treffen einer Gruppe „People Living With HIV and AIDS“

All dies ist nicht gratis. Die Pflege im Spital kostet pro Tag ungefähr 5000 sh., (ca. 5 Fr.) Dies gilt für alle Krankheiten, wie z.B. Malaria. Sehr viele können dies nicht be-zahlen. Darum werden die meisten AIDS-Patienten zuhause gepflegt. Der weite Weg zum Spital ist ebenfalls ein Grund, warum die Leute zuhause gepflegt werden müssen. Einige Siedlungen liegen mehr als 10 km vom Spital entfernt, und in der Regel gibt es nur holprige und oft steile Fusswege dorthin. Mit dem Kleinbus – wenn überhaupt möglich – kostet die Hin- und Rückfahrt je 3000 sh., was für die meisten Menschen unerschwinglich ist.

Meine Zukunftspläne? – Ich muss für mei-ne Familie die Produktion von Nahrungs-mitteln erweitern. Ich hoffe auf Unterstüt-zung, damit ich eine Milchkuh halten kann. Die Milch würde unsere Ernährung ver-bessern. Wenn Milch übrig bleibt, könnte ich sie verkaufen. Kuhmist ist zudem der beste Dünger für meine Bananenpflanzen.

Wir wurden in den vergangenen Jahren in unseren Bemühungen von Hilfsorganisati-onen sehr unterstützt. Wir danken Swis-said und Jambo herzlich dafür.